Sauberkeitserziehung?

Wie Kinder nicht „trotzig“ sind, wenn sich ihre Autonomie und emotionale Kompetenz entwickelt, müssen sie auch nicht „trocken“ oder „sauber“ werden, wenn sie sich am Weg zu ihrer Ausscheidungsautonomie befinden – sind sie doch vorher weder alkoholabhängig noch schmutzig.

Auf dem Weg zur sogenannten Ausscheidungsautonomie – der selbstständigen Blasen- und Darmkontrolle – sind dann auch so einige Schrittchen zu gehen und das im besten Fall im eigenen Tempo, ohne Druck und ohne Zwang.

Körper und Kultur

Immer mehr Eltern wollen ihren Säugling von Beginn an ohne Windel begleiten – feinfühlig, aufmerksam auf Ausscheidungssignale ihres Babys achten und es infolge abhalten. Die sehr dem Kind zugewandte Ausscheidungskommunikation (auch „Elimination Communication“ genannt) wird nicht selten misstrauisch und zuweilen sogar gereizt beäugt oder als Windelfrei-Trend nicht ganz ernst genommen und belächelt. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass die Windel nicht so naturgegeben ist, wie wir das gerne wahrnehmen und in vielen Ländern keine Anwendung findet oder gar unbekannt ist.

Ob und wann ein Kind ohne Windel auskommt oder nicht, scheint also weniger eine Frage der körperlichen Voraussetzungen zu sein, als eine Frage der Kultur, in der es aufwächst.

Zugleich ist auch nicht auszublenden, dass in Anbetracht unserer Lebensumstände ein Windelverzicht für die allermeisten Eltern, denen diese Vorstellung attraktiv erscheinen würde, wohl nur schwer umsetz- und lebbar wäre. Familien heute sind in der Regel auf außerhäusliche Betreuungsangebote angewiesen, was – angesichts der vorherrschenden elementarpädagogischen Rahmenbedingungen, schon für sich alleine gestellt quasi ein Ausschlusskriterium für einen windelfreien Weg darstellen könnte. Auch die Frage inwiefern sich Eltern hier noch mehr unter Druck setzen – was Kindern noch nie dienlich war – dürfen und sollten wir uns stellen. Die Antwort wird immer eine individuelle sein, jede Familie ist anders und tut gut daran „ihren“ Weg zu suchen.

Meine Windelwelt

Für ein Kind, das in eine „Windelrealität“ geboren wurde, bedeutet das jedoch nach wie vor, dass es nicht auf Knopfdruck unseren „Sauberkeitsvorstellungen“ entsprechen kann. Ähnlich wie beim Schnuller, der – wenn er zum Einsatz kommt – eine Entscheidung von uns Erwachsenen (und nicht dem Kind) ist und auf den dann eben nicht „hexhex“ auf unseren Zuruf hin bereitwillig verzichtet werden kann. Auch hier braucht es eine liebevolle und einfühlsame Begleitung und kein Training nach Zeitplan oder gar Strafsanktionen.

Schritt für Schritt zur Ausscheidungsautonomie

Wir können Kinder gut begleiten, wenn wir uns bewusst halten, dass auch hier alles seine Zeit hat und seine Zeit braucht. Und dass der Weg zur Ausscheidungsautonomie einer mit vielen Schritten – und manchmal auch einigen Zwischen- und Rückwärtsschrittchen ist.

Wie jeder Weg, den wir zurücklegen, geht er sich am schönsten mit einer zuversichtlichen, interessierten und gelassenen Begleitung – die nicht drängelt, nötigt und schubst.

Nachdem der Bildbeitrag „Schritt für Schritt zur Ausscheidungsautonomie zahlreich nachgefragt wurde, steht er hier zum Download bereit:

Verwendung von Bild und / oder Text nur mit Verweis [Blickpunkt Erziehung by Iris van den Hoeven]

Ausscheidungsautonomie

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